Februar 2012
Ergänzung zum Positionspapier der Landesarmutskonferenz „Dringender Regelungsbedarf bei den Kosten der Unterkunft nach SGB II und SGB XII in Berlin!“
Im Januar 2012 hat die Landesarmutskonferenz (Fachgruppe Wohnungslose Menschen) ein Positionspapier zum „Dringenden Regelungsbedarf bei den Kosten der Unterkunft nach SGB II und SGB XII in Berlin“ herausgegeben.
Das Papier reagiert auf die Entwicklungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt und die bisher unzureichenden wohnungspolitischen Steuerungsmaßnahmen. Im Zentrum steht dabei die seit Jahren nahezu unveränderte AV-Wohnen, in der die Übernahme der Unterkunftskosten für Empfänger_innen von Transferleistungen geregelt ist.
Den von der Landesarmutskonferenz entwickelten Forderungen, schließt sich der AK Wohnungsnot in vollem Umfang an:
- Regelmäßige Anpassung der Richtwerte in der AV-Wohnen gemäß des Berliner Mietspiegels;
- Verhinderung von Segregation durch Beachtung von Teilmärkten in Berlin;
- Klimabonus für Mieter_innen von energetisch sanierten Wohngebäuden;
- Beibehaltung von Ausnahmeregelungen für Menschen, die sich auf dem Wohnungsmarkt nur schwer versorgen können;
- Keine Umzugsaufforderungen durch das Jobcenter, wenn kein angemessener Wohnraum zur Verfügung steht;
- Zulassung einer Überschreitung der Richtwerte bei Wohnungen aus dem geschützten Marktsegment um 20%;
Aus der täglichen Praxis der Teilnehmer_innen des AK Wohnungsnot ergeben sich zu dem weitere Forderungen, die im Rahmen der Neugestaltung und Umsetzung der AV Wohnen und weiterer wohnungspolitischer Überlegungen beachtet werden müssen, um den zunehmenden Ungerechtigkeiten auf dem Wohnungsmarkt entgegen zu wirken und benachteiligten Personen(-gruppen) den Zugang und Erhalt von eigenem Wohnraum zu ermöglichen.
- Es ist zu gewährleisten, dass vor einer Aufforderung zur Mietkostensenkung wirklich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt und nachgewiesen wird
- Bei Wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Hilfeempfängern ist dem ersten Wohnungsangebot, dass innerhalb der für diesen Personenkreis geltenden erhöhten Mietobergrenze liegt, zuzustimmen. Die Forderung nach mehreren angemessenen Wohnungsangeboten ist unzulässig
- Vorgelegte Wohnungsangebote sind innerhalb von 5 Tagen zu bescheiden
- Doppelte Mieten sind im Rahmen von Wohnungsbeschaffungskosten in dem benötigten (durch Kündigungsfristen bedingten) Zeitraum zu bewilligen
- Entsprechend der Besonderheit des Einzelfalles ist eine parallele Gewährung von Umzugskosten und Erstausstattung (diese dann in eingeschränkter Form) zu ermöglichen
- Entsprechend der Besonderheit des Einzelfalles sind einem ALG II-Empfänger die Kosten für einen Umzug durch eine Firma zu gewähren, wenn er nicht die Möglichkeiten hat, den Umzug durch Eigenhilfe zu bewerkstelligen
- Betriebskostennachforderungen sind auch in den Fällen zu gewähren, in denen die Hilfeempfänger_innen den der angemessenen Miethöhe übersteigenden Betrag aus ihren Regelleistungen bestreiten, solange kein Nachweis ihres unwirtschaftlichen Verhaltens vorliegt. (In der bisherigen AV Wohnen ist unter 4.5 diese Möglichkeit der Kostensenkung ausdrücklich genannt ohne von der Folge zu reden, dass dann die BK-Nachforderung nicht übernommen werden darf.)
- Betriebskostennachforderungen sind auch in den Fällen zu gewähren, in denen eine Neuanmietung ohne vorherige Zustimmung erfolgte, solange kein Nachweis ihres unwirtschaftlichen Verhaltens vorliegt. (Nach der bisherigen AV-Wohnen 3.2.2 besteht die Konsequenz aus der Nichteinholung der Zustimmung darin, dass die Miete nicht in der tatsächlichen Höhe übernommen wird, sondern nur in der angemessenen; von einer Nichtbewilligung der BK-Nachforderung ist keine Rede.)
- Es ist sicherzustellen, dass es nicht zu parallelem Einzug von Kautionstilgungsraten und Rückerstattungsforderungen seitens des JobCenters kommt, die Hilfeempfänger_innen über längere Zeit weit unter das Existenzminimum bringen würden (Siehe ein Urteil des Berliner Sozialgerichtes: S 37 AS 24431/11 ER)
- Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Regelungen nach 9.2 AV Wohnen (Mietschulden sind zu übernehmen, wenn Wohnungslosigkeit und/oder Räumung der Wohnung droht, wenn der Wohnraum dadurch erhalten werden kann) verbindlich angewendet und umgesetzt werden.
- Abschaffung der Sanktionen, die die Kosten der Unterkunft betreffen, bei U-25 Jährigen. Diese Sanktionen, deren Effektivität bereits wissenschaftlich angezweifelt wurde(*), können zu Mietschulden und damit im schlimmsten Fall zu Wohnungsverlust für die Betroffenen führen. Die härtere Bestrafung von jungen Erwachsenen wurden bereits von prominenter Stelle (Prof. Dr. Uwe Berlit - Richter am Bundesverwaltungsgericht) als 'verfassungswidrig' bezeichnet. Zudem stellen drastischere Sanktionen für U25-jährige einen Rückschritt gegenüber der bisherigen Gesetzgebung dar, so wird beispielsweise im Strafrecht mittels Jugendstrafrecht sensibler und angemessener auf Verstöße reagiert und eben nicht mit pauschaler Bestrafung.
- Abschaffung der Sanktionen, die die Kosten der Unterkunft betreffen, bei über 25-Jährigen.
(*) vgl. Bescherer/Röbenack/Schierhorn in Castel/Dörre (Hrsg., 2009): Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung: Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts. Frankfurt/M: Campus